Maria Montessori wird gerne missverstanden, gerade im Bezug auf das "Grenzen-setzen". Viele denken, Grenzen gäbe es bei Montessori nicht, denn sie möchte ja den freien Willen, die freie Entscheidungsmöglichkeit unterstützen und fördern. Da könne es keine Grenzen geben.
Dies ist allerdings zu oberflächlich betrachtet, viel mehr muss man die Texte verinnerlichen und verstehen lernen und erfährt dann, dass es Grenzen gibt, die einfach da sind. Natürliche und persönliche Grenzen sind da und nicht einfach gemacht. Viel mehr sind es die unnötigen und entwicklungsbehinderten Grenzen, welche Montessori verurteilt und versucht aufzuheben.
Was sind natürliche und persönliche Grenzen?
Die Umwelt gibt uns viele Grenzen vor, aufgrund derer die eigenen Möglichkeiten beschnitten werden. Eine viel befahrene Straße kann nicht einfach überquert werden, auch wenn man dies zu gerne möchte. Man muss nach Zebrastreifen oder Ampelüberquerungen suchen. Das Wetter ist eine ganz große natürliche Grenze. Nicht alle Unternehmungen können bei jedem Wetter durchgeführt werden. Manches kann durch geeignete Kleidung kompensiert werden. Wenn aber Außenbereiche aufgrund heftigster Stürme geschlossen werden, dann sind sie geschlossen und können nicht bespielt werden.
Auf Spielplätzen kommen viele Spielgeräte nur einmal vor. Somit können diese nicht nach Belieben und sofort bespielt werden, wenn diese gerade ein anderes Kind nutzt. Kinder müssen sich hier in Geduld und Warten üben und wie man aufkommenden Frust bewältigen kann. Ähnlich hat dies Maria Montessori auch in ihren Kinderhäusern und Schulen übernommen, alle Lernanregungen sind im Klassenraum nur einmal vorhanden, sogar jede einzelne Buntstiftfarbe ist nur einmal vorhanden. Schon hier ist zu erkennen, das Maria Montessori sehr wohl etwas von Grenzen weiß und diese garnicht wegdiskutieren oder entfernen möchte. Sie setzt sie gezielt dort ein, wo sie sinnvoll sind und in natürlicherweise einfach vorhanden sind.
Persönliche Grenzen sind meist auch schnell gefunden. Ich möchte nicht als Trampolin verwendet werden, ebenso mag ich beim Schlafen nicht die Füße meines Kindes in Gesicht oder Rippen haben. Abends ab 20 Uhr möchte ich das der Tag nun ruhig ausklingt und möchte keine wilden Spiele mehr spielen. Da muss das Herzkind nun akzeptieren, dass es Zeit für Bücher oder ruhige Aktivitäten ist.
Generell sind überall dort persönliche Grenzen, wo die Integrität des Einzelnen verletzt werden würde. Das muss ein Kleinkind natürlich alles erst verstehen lernen und verstehen lernen, ist nicht immer einfach und oft auch mit ganz viel Frustration verbunden.
Diese Frustration gilt es als Erwachsener auszuhalten und zu verstehen. Sie sollte nicht wegdiskutiert oder geschmälert werden. Die Kinder müssen in ihrem Frust ernst genommen und begleitet werden. Das Herzkind braucht dann ganz viel Trost und stillen wirkt dann noch wahre Wunder und danach ist meist alles wieder gut. Andere Kinder möchten zunächst alleine gelassen werden in ihrer Ohnmacht, die sie selbst empfinden, weil sie nicht tun dürfen, was sie jetzt gerne möchten. Auch dann sollten wir dies so akzeptieren.
Kinder kommen täglich sehr oft an natürliche und persönliche Grenzen. Erfahrungen die verarbeitet werden müssen, aber auch von Kindern recht schnell verstanden und akzeptiert werden können. Weil sie merken, dass die Eltern selbst daran nichts ändern können oder weil die Eltern in diesen Punkten einfach immer wieder gleich bleiben und standhaft sind.
Anders sieht es aus mit den Grenzen, welche einfach nur gesetzt werden um das Kind zu unterdrücken... auch wenn wir es als Eltern in diesem Moment vielleicht nicht so sehen... die meisten Grenzen im Alltag, tun aber genau dies. Natürlich wollen wir unsere Kinder nicht klein halten, unbewusst tun wir es allerdings. Jede Möglichkeit die wir unserem Kind verwehren, etwas zu tun, zu erhalten und damit zu üben, ist eine genommene Möglichkeit erwachsen zu werden. Kinder streben danach erwachsen zu werden, das ist ihr innerer Bauplan. Sie wollen genauso werden, wie wir auch und somit natürlich auch alles tun, was wir tun.
Der Frust und der oft beschrieben Trotz entsteht dadurch, das den Kindern diese Lernmöglichkeiten verwehrt werden. Wir können natürliche und persönliche Grenzen nicht ändern, diese sind da, diese können wie nicht entfernen. Aber alles andere schon! Wir als Erwachsener können gerade Zuhause die Umgebung vorbereiten und auf unsere Kinder anpassen. Unsere Kinder zeigen uns jeden Tag, wobei sie uns helfen und uns nachahmen möchten und hier müssen wir ansetzen.
Man sollte bedenken, dass alles, was ein Kind tut, eine rationele Ursache hat, die entzifferbar ist. Es gibt kein Phänomen, das nicht seine Motive, seine Daseinsberechtigung besäße. Es ist sehr einfach zu, über jede unverständliche Reaktion, jedes schwierige Betragen des Kindes mit der Erklärung hinwegzusehen: "Laune!" Diese Laune sollte für uns die Wichtigkeit einer zu lösenden Aufgabe, eines zu entziffernden Rätsels annehmen.
Hinter jeder Kundgebung des Kindes, die wir als Laune bezeichnen, muss also eine wirkliche Ursache gesucht werden. Diese kann uns, einmal erkannt, dahin führen, tiefer in die geheimnisvollen Gründe der Kinderseele einzudringen und kann so zur Schaffung eines friedlichen Vertrauensverhältnisses zwischen uns und dem Kinde beitragen.
- Maria Montessori -
Was können wir tun und anbieten, damit die Kinder ihrem inneren Bauplan gemäß handeln können? Wir können Möbel kaufen und anfertigen, die der Höhe unserer Kinder entsprechen. Wir können die Küche so einrichten, dass das Kind in unteren Schubladen und Kühlschrankfächern selbstständig an das Essen und das Geschirr gelangen kann. Wir können Laufställe, Gitterbetten und Hochstühle verbannen, aus denen die Kinder nicht selbstständig heraus können. Wir können schauen, was jeden Tag zu Frustrationen und "Machtkämpfen" führt. Müssen diese wirklich sein, sind diese wirklich nötig? Wie ich schon geschrieben habe, es gibt jeden Tag genügend Situationen, die so sind, an denen nichts gerüttelt werden kann, da die Grenzen natürlicherweise einfach da sind. Es gibt aber genügend unnötige und unterdrückende Grenzen, die wir entfernen sollten. Die das Kind in seinem Bestreben behindern und die uns generell das Miteinander und das Vetrauensverhältnis mit unserem Kind unnötig erschweren.
Lassen wir uns also ein, auf ein Miteinander und nicht auf ein Gegeneinander. Grenzen sind da, schon immer. Damit müssen Kinder umgehen lernen und wir müssen sie begleiten, nicht behindern!
Aus dem Nichts heraus bricht das kleine Kind in die Familie des Erwachsenen ein. Der ist, mit dem Kind verglichen, groß und mächtig wie ein Gott, und er ist der einzige, der dem KInd das Lebensnotwendige zu verschaffen vermag. Der Erwachsene ist sein Schöpfer, seine Vorsehung, sein Herrscher, sein Richter. Niemand hängt so vollständig und unbedingt von einem anderen ab wie das Kind vom Erwachsenen.
- Maria Montessori -
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