Jeden Montag in der Krabbelguppe: Wir sind ein bunter Haufen Mamis mit ihren kleinen Kindern, welche noch zu klein sind für den Kindergarten. Im Schnitt vom Krabbelalter bis ca. 2,5 Jahren. Die Krabbelgruppe befindet sich im Kindergarten, dort dürfen wir uns frei bewegen und nun im Sommer sind wir natürlich auch viel draußen.
Die Zwerge toben sich aus, spielen in der Sandgrube, toben über die Wiese und dürfen erste Freundschaften knüpfen und soziale Interaktionen üben. Nicht nur für die Kleinen sind Krabbelgruppen toll, sondern ebenso für uns als Mamis. Wir können uns austauschen über alle alltäglichen Dinge und natürlich taucht nicht selten die Frage auf "Wie macht du denn das?"
Diesmal ging es um das Trotzen, Toben und "Nein-Ignorieren" und auch wieder viel mir ein Satz auf, den ich so bzw. so ähnlich doch schon recht oft gehört habe: "Ich habe nichts an Deko und Co weg geräumt!" Oft verbunden mit: "Er/sie muss lernen, dass diese Dinge Tabu sind."
Ich denke darüber etwas anders und finde mit solchen Statements machen wir es uns als Eltern und auch den Kindern nur unnötig schwer im Leben. Versetzen wir uns mal in die Lage unserer Kinder. Sie kommen in eine fremde Welt, sie müssen alles erlernen, für sie ist alles neu und sie sehen was wir tun, was wir benutzen, was wir in Händen halten und wollen dies natürlich auch. Sie wollen es, weil es ihrem tiefsten Naturell entspricht. Sie wollen wachsen und lernen. Und was tun wir? Wir schimpfen, wir schauen böse, erheben vielleicht unsere Stimme und nehmen ihnen die Dinge wieder weg! Immer wieder und wieder!
Schrecklich, oder? Würden wir uns das bieten lassen? Nein, wir möchten gleichwürdig behandelt werden! Aber wieso gestatten wir das nicht unseren Kindern?
"Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen" sagt Maria Montessori. Und wie behandeln wir Gäste? Unsere Kinder werden nur eine kurze Zeit in ihrem Leben vollkommend von uns abhängig sein und unserer Hilfe benötigen. Danach möchten und werden sie von uns unabhängig werden. Wir müssen ihnen den Weg dafür bereiten und somit die Umgebung vorbereiten.
Wir können nicht davon ausgehen, nur weil wir "zuerst da waren", dass wir auch ein Vorrecht haben. Unsere Dinge standen schon vor dem Kind da, also hat es diese auch so zu belassen. Welch egoistisches Verhalten! Es hat nichts mit Erziehung zu tun, zu meinen "das Kind hat zu lernen, dass es diese Dinge nicht anfassen darf". Lernt das Kind nicht viel eher etwas anderes? Wird es sich fragen, ob es überhaupt gewünscht ist, wenn es nichts von dem, was ihn wirklich interessiert anfassen darf? Wenn es ständig nur NEIN hört? Würden wir irgendwann noch auf ein NEIN hören? Sollte NEIN nicht eine Ausnahme darstellen, um dem Kind die Wichtigkeit dieses Wortes aufzuzeigen? Jeder kennt doch die Geschichte, über den Hirtenjungen: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht!" Ähnlich verhält es sich mit dem NEIN. Wieso noch darauf achten, wenn es belanglos ist?
Dieses Denken ist veraltet und liegt eigentlich Generationen zurück. Schon Maria Montessori erkannte dieses Problem:
Das erste Mal streckt diese kleine Hand sich nach einem Ding aus, und diese Bewegung stellt die Kraft des kindlichen Ichs dar, in die Welt einzudringen. Der Erwachsene, statt dies zu bewundern und zu achten, fürchtet sich vor diesen Händchen, die nach den das Kind umgebenden, wertlosen und unwichtigen Dingen greifen, und alsbald wird er zum Verteidiger der Gegenstände wider das Kind. Er beeilt sich, dem Kind einzuschärfen: "Rühr das nicht an!" so wie er ihm befiehlt, sich nicht zu bewegen und nicht zu sprechen.
Die Abwehrhaltung im Unterbewusstsein des Erwachsenen führt ihn dahin, bei anderen Menschen Hilfe zu suchen, als handle es sich darum, einen heimlichen Kampf gegen eine Macht zu führen, die sein Behagen und seinen Besitz bedroht.
Das Kind, das seiner Umwelt die Elemente entnehmen sucht, die es zu seinem geistigen Aufbau braucht, muss diese Elemente in seinen Besitz bringen können. Wenn das Kind sich also in einer konstruktiven Art benehmen soll und seine Hände zu einer Arbeit gebraucht, so muss es rungs um sich Gegenstände finden, die es zu solcher Arbeit anregen. Aber in der häuslichen Umgebung nimmt auf dieses sein Bedürfnis niemand Rücksicht. Die Dinge, die das Kind umgeben, gehören den Erwachsenen und sind für deren Gebrauch bestimmt, für das Kind sind sie verboten, "tau". So versucht der Erwachsene, ein für die kindliche Entwicklung lebenswichtiges Problem durch Verbote zu lösen. Gelingt es dem Kinde dann, einen Gegenstand, der ihm in die Hände fällt, auch wirklich zu ergreifen, so benimmt es sich fast so wie ein verhungerter Hund, der einen Knochen findet und in einem Winkel benagt, in dem Bemühen, sich mit einem Ding zu nähren, das ihm nicht ausreichend nähren kann und voll Angst, man könnte es ihm wieder entreißen.
Lässt all dies nicht erkennen, dass der angebliche Trotz und die Reaktionen der Eltern hausgemacht sind? Sie entstünden nicht, würde man auf das Kind und seine wichtigsten Bedürfnisse eingehen. Wir Eltern dürfen ihnen nicht verwehren, was sie so dringend benötigen um zu lernen!
Natürlich gibt es Haushaltsgegenstände, welche wirklich noch nichts für ganz kleine Kinderhände sind oder auch Deko, die man sehr schätzt und an denen man hängt. Hier muss man Kompromisse eingehen. Deko wegräumen oder hochstellen, so werden Diskussionen komplett vermieden und wenn das Kind groß genug ist, um wirklich zu verstehen, warum Mama nicht möchte, dass es da dran geht, dann kann die Deko gerne wieder trapiert werden. Und auch wenn mal etwas kaputt gehen sollte, auch wenn es das tollste Erinnerungsstück war... ist uns nicht auch schon oft genug etwas kaputt gegangen? Waren wir nicht selbst deswegen zu Tode betrübt und/ oder beschämt? Brauchten wir dann noch Rüge von Anderen oder haben wir nicht schon selbst verstanden, was da gerade passiert ist?
Gefährliche Haushaltsgegenstände oder Mittel sind bei mir aus dem Sichtfeld des Herzkindes verbannt. Öffne ich die Spülmaschine hole ich als Erstes die wirklich sehr scharfen Messer heraus, normale Messer, Gläser usw. räume ich zusammen mit dem Herzkind aus und wir erweitern seine Möglichkeiten Stück für Stück.
Das Herzkind ist zufrieden, wenn er mithelfen kann, wenn er das tun darf, was auch wir tun und wenn er dabei ist. Ich habe meinen Haushalt so umgestellt, dass ich ihm im Grunde nichts verwehren muss und Machtkampf-Situationen garnicht erst entstehen können. So ist dann auch das möglich, was Maria Montessori erwartet:
Es ist ungemein wichtig, dass es dem Kind überlassen bleibt, spontan die Handlungen zu wählen und auszuführen. Die konstruktive Bewegung nimmt ihren Ausgang von Handlungen, die das Kind in seiner Umgebung beobachtet hat.
Nur durch eine vorbereitete Umgebung, welche Maria Montessori immer wieder erwähnt, kann ein Kind lernen und wachsen. Betrachten wir unsere Wohnungen mit Kinderaugen, betrachten wir Situationen, in denen das Kind und wir als Eltern anderer Meinung sind. Gibt es nicht Dinge, die wir ändern können?